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„Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme“

Thomas Morus

Unsere Familie zählt zu den ältesten Schuhmacherfamilien.

Der Urgroßvater, Hugo Seidich erlernte 1909 das Handwerk und fertigte Maßschuhe und Schäfte bereits vor dem Ersten Weltkrieg.

1928

Heerlen
Schuhmachermeister Hugo Seidich erlernte das Handwerk zu Beginn des 20. Jh. Die Familie verließ 1927 das Ruhrgebiet und zog in den kleinen Ort Waubach nahe der niederländischen Stadt Heerlen. 1928 eröffnete Hugo Seidich nahe dem Hauptbahnhof in Heerlen eine eigene Schuh- und Schäftemacherei. Im selben Jahr wurde Hugo Michael Seidich geboren und half schon als kleiner Junge in der väterlichen Werkstatt. Durch den zweiten Weltkrieg musste die Familie diese Werkstatt aufgeben und die Niederlande verlassen. Hugo Seidich kehrte nach Kriegsende ins Ruhrgebiet zurück und eröffnete in Gelsenkirchen Bismarck eine Schuh- und Schäftemacherei.

1948

Erfurt
Sein Sohn Hugo Michael Seidich absolvierte nach Kriegsende eine Ausbildung zum Schuhmacher bei der Schuhfabrik Thiele in Erfurt, wo er verstärkt im Schaftbau ausgebildet wurde. Im Alter von 21 Jahren, eröffnete er 1948 seine eigene Schäftemacherei in der Erfurter Milchinselstrasse. Durch die Teilung Deutschland kehrt auch er ins Ruhrgebiet zurück und half wieder seinem Vater in der Werkstatt. Um jedoch finanziell ein Auskommen zu haben, arbeite er auch als Bergmann auf der Gelsenkirchener Zeche Consolidation. Dort bemerkte er die sehr schlechte Qualität der Arbeitsschuhe, für die es damals noch keine Normen wie heute gab. Er erkannte hier eine Möglichkeit seine Kenntnisse als Schuh- und Schäftemacher einzubringen. Er entwickelte ein Konzept für die industrielle Herstellung von Sicherheitsschuhen, speziell für den Bergbau und die Stahlindustrie. Stiefel, die den Träger effektiv schützen und das Laufen auf abschüssigen- und steigenden Strecken Untertage erleichterten.

1952

Wanne-Eickel
Während Hugo Seidich Senior in Gelsenkirchen weiterhin hochwertige Schäfte fertigte, eröffnete sein Sohn, mit Unterstützung der Mannesmannröhren-Werke AG (dem damaligen Eigentümer der Gelsenkirchener Zeche Consolidation), 1952 in Wanne-Eickel die „Glückauf Schuhfabrik“. Rund eine Million Paar Sicherheitsschuhe für den Bergbau und die Stahlindustrie wurde bis Juni 1974 produziert. Dann zwang das „Zechensterben“ auch die Glückauf Schuhfabrik zur Schließung.

1987 – heute

Herne

Wenige Jahre später begann Hugo Michael Seidich mit seinem Sohn Hartmut eine neue Schäftemacherei am aktuellen Standort aufzubauen. Die Stadtverwaltung Herne unterstützte den Aufbau der Werkstatt in einer städtischen Immobilie und so konnte Hartmut Seidich die Familien Tradition fortführen.

Er erlernte das Handwerk des Schäftemachers von seinem Vater, absolvierte eine Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher und eröffnete nach abgelegter Schuhmacher Meisterprüfung am 26. Oktober 1987 die heutige Werkstatt – nur 1500 Meter vom Standort der ehemaligen „Glückauf Schuhfabrik“ entfernt.

Hugo Michael Seidich stand noch viele Jahre seinem Sohn rüstig zur Seite und konnte auch noch seinem Enkel vieles beibringen. Am 27. April 2012, nach einem sehr erfüllten Leben, verstarb Hugo Michael Seidich im Alter von 83 Jahren. Er freute sich noch mit erleben zu können, dass auch die vierte Generation den Betrieb fortführen wird. Sowohl Dustin Seidich als auch Schwiegersohn Jan Droste erlernten das Handwerk. Beide sind inzwischen Schuhmachergesellen und versierte Schäftemacher.

Es machte ihn stolz, dass trotz der vielen Tiefschläge, die Familie immer noch Schäfte fertigt. Ob für ehemalige Bergmänner, die Ihre Gesundheit in den Minen des Ruhrpotts gelassen haben oder für qualitätsbewussten Schuhliebhaber im In- und Ausland, welche das Glück haben sich perfektes Schuhwerk nach Maß anfertigen lassen können.

Der Großteil der Arbeiten sind für Orthopädisches Schuhwerk, aber man findet Schäfte aus Herne auch an den Füßen von Angehörigen der Adelshäuser, bekannten Hollywood Stars und anspruchsvollen Privatkunden. Ebenso an Kindern, die in Kriegsgebieten schwere Verletzungen an den Füßen erlitten oder in Afrika körperlich stark beeinträchtigt geboren, erst mit Orthopädischen Schuhen wieder voll am Leben teilnehmen können.

Arbeiten unserer Familie waren u.a. in der Sonderausstellung „Schuhtick – von heißen Sohlen und kalten Füßen“ der Landesmuseen zu sehen.

Von 2004 bis 2024 unterrichtet Hartmut Seidich als Dozent für Schaftbau an der Akademie der Handwerkskammer Düsseldorf, die Orthopädieschuhmacher-Meisterschüler. Viele Jahre unterstützte ihm dabei seine Frau Tanja und Sohn Dustin.

Während dieser Zeit schrieb Hartmut und Dustin Seidich Lehrbücher über Schaftbau, welche heute in über dreißig Ländern geschätzt werden und gaben ihr Fachwissen auch in Workshops weiter.

Der Zentralverband des Deutschen Schuhmacherhandwerks verlieh Hartmut Seidich 2023, die „Verdienstmedaille für herausragende Verdienste für das Handwerk der Schuhmacher“, die höchste Auszeichnung, welche der Verband vergeben kann.

Heute ist die Herner Werkstatt eine der wenigen, in denen der gesamte Fertigungsprozess noch rein handwerklich umgesetzt wird und man steht mit Fachkollegen/innen weltweit im Austausch.