Wer die Vergangenheit nicht kennt,
der ist für die Zukunft nicht gerüstet. Jürgen Schmidt

Der Schäftemacher zählt wohl zu den unbekanntesten Berufen. „Papa und Mama machen halbe Schuhe“, war die Antwort unserer Kinder, wenn diese auf dem Beruf der Eltern angesprochen wurden, denn niemand konnte mit dem Begriff Schäftemacher etwas anfangen. Als Schäfte bezeichnet man die Oberteile von Schuhen, also zirka 90% des auf den ersten Blick sichtbaren Teils eines Schuhes. Tatsächlich könnte man sagen dass ein Schäftemacher Kleider für die Füße schneidert. Denn wie ein Schneider fertigt er nach den Maßen der Füße Schnittmuster an, schneidet Leder und Stoffe zu und näht diese zu einem dreidimensionalen Gebilde zusammen. Dabei muss er äußerst präzise vorgehen. Der Größenunterscheid zwischen zwei Schuhgrößen beträgt nur 6,67mm. Ein einzelner Schaft besteht aus vielen Elementen und wenn beim Modellieren, beim zuschneiden oder beim Zusammenbau der vielen Teile nur vier kleine Fehler mit eine Ungenauigkeit von nur ca.1mm einschleichen, ist der Schaft am Ende eine halbe Schuhgröße zu klein oder zu groß. Zudem haben die verschiedenen Leder sehr unterschiedliche Eigenschaften, sind mal weicher mal fester. Auch dies muss der Schäftemacher berücksichtigen, damit der spätere Träger der Schuhe lange viel Freude an seinen Handgefertigten Schuhen hat. Dabei gibt es bei Leder nicht wie bei Stoff einen zweiten Versuch. Einmal vernäht, hinterlässt die Nähnadel Löcher im teureren Leder.

Schäfte (Schuhoberteile) wurden bis ca. 1860 vollständig von Hand genäht. Die Einführung der Nähmaschine in der zweiten Hälfte des 19. Jh. führte schnell zur industriellen Fertigung von Schuhen in Manufakturen und Fabriken. Fabrikgefertigte Schuhe hatten den Vorteil dass diese sofort verfügbar waren und die Kunden aus vielen Materialien wählen könnten.

Um gegen die Schuhfabriken bestehen zu können, mussten Schuhmacher nun schneller fertigen und immer mehr verschiedene Leder und Stoffe ankaufen. Eine große Materialauswahl ist jedoch für eine kleine Schuhmacherei sehr teuer und die neuen Nähmaschinen waren früher für viele unbezahlbar. So kam es in der Folge zur Gründung von Schäftemachereien, die sich auf die Anfertigung von Schuhoberteilen spezialisierten.

Durch die Kriege im 20. Jh. wurden zehntausende Menschen zu Invaliden. Viele davon hatten Verletzungen an den Füßen und Beinen. Die Orthopädie Schuhmachermacher waren gefordert und die Nachfrage nach Schäften für Orthopädisches Schuhwerk nahm enorm zu. Dies führte zwar zu vielen Neu Gründungen von Schäftemachereien, aber leider nicht dazu das man den Schäftemachern ein eigens Berufsbild gab. Vergeblich forderten Schäftemacher immer wieder das Recht Ausbilden zu dürfen. Dennoch gelang es den Schäftemachern nur in Österreich ein eigenes Berufsbild (Oberteilherrichter) zu erhalten. Damit war und ist es bis heute sehr schwer in Deutschland qualifizierten Nachwuchs auszubilden.

Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger Jahren führte die Einführung von halbindustriellen „Fertigschäften“ zur Schließung vieler Schäftemachereien. Der Umsatz brach teilweise um 70% ein. Die BSE Krise führte zu einer Verteuerung von Leder, zeitgleich stieg der Druck der Krankenkassen auf die Preise. Schäftemacher gerieten zwischen Hammer und Amboss. 2015 existierten nur noch zirka 10% der Schäftemachereien im Vergleich zu 1980. Einige der überlebenden Werkstätten investierten in teure moderne digitale Technik, um so effizienter und kostengünstiger zu produzieren. Andere reduzierten die Fertigung und arbeiten weiter traditionell rein handwerklich.

Heute ist das Ourtsourcen der kompletten Fertigung Orthopädiescher Schuhe (Schaft- und Bodenbau) in Niedriglohnländer die größte Bedrohung für den Schaftbau. Denn für jeden „Boden“, der Fern von Deutschland gebaut wird, benötigt man auch keinen Schaft mehr aus heimischer Fertigung. Es besteht die Gefahr, dass dadurch die letzten gewachsenen Versorgungstrukturen von lokalen Schäftemachereien, Lederhändlern, Werkzeugherstellern… nachhaltig verloren gehen.

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Auf Anfrage bieten wir in unserer Werkstatt Schaftbau Intensiv Kurse / Workshops in kleinen Gruppen von nur vier Teilnehmern an. Vermittelt wird das Basiswissen um den Schaftbau. Seit 2011 unterrichten wir auch an der Handwerkskammer in Düsseldorf die Meisterschüler der Orthopädie Schuhtechnik im Schaftbau.

Tel.: +49 (0) 2325 - 56 96 56